Dass Flugzeugtriebwerke umweltfreundlicher werden müssen, darüber sind sich alle einig. Was aber ist die Lösung – neuartige Antriebssysteme oder herkömmliche Strahltriebwerke, die mit Biokraftstoff betrieben werden? Metalworking World wirft einen Blick auf die Triebwerke der Zukunft.
Das Strahltriebwerk wird seit über 50 Jahren in der Flugzeugindustrie eingesetzt, wobei sich das Antriebssystem in dieser Zeit kaum verändert hat. Angesichts immer strengerer Gesetze zur Schadstoffund Lärmemission und ständig steigender Treibstoffpreise bemüht sich die Forschung zurzeit intensiv darum, die technische Entwicklung auf diesem Gebiet zu beschleunigen. Aber wohin geht die Entwicklung? Wird die Verbesserung des Strahltriebwerks weiterhin im Fokus stehen oder wird es eine völlig neue Art von Antrieb geben, die das Strahltriebwerk schließlich in die Geschichte der Luftfahrt verbannt?
Die Luftfahrt trägt rund zwei Prozent zum CO2-Ausstoß durch fossile Kraftstoffe bei, und mit der steigenden Nachfrage nach Flugreisen nehmen auch die Emissionen zu. Man rechnet damit, dass sich die Emissionen von Stickoxiden (NOx) durch Flugzeuge bis 2020 verdoppeln. Sie verursachen sauren Regen und Smog und kosten die Gesellschaft jährlich Milliarden von Dollar durch Krankheiten und Todesfälle. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, setzte sich die europäische Flugzeugindustrie 2001 zum Ziel, bis 2020 den Treibstoffverbrauch pro Passagierkilometer um 50 Prozent und die NOx-Emissionen von Verkehrsflugzeugen um 80 Prozent zu reduzieren.
Auf kurze Sicht werden sich Umweltverträglichkeit und Effizienz der Triebwerke nach einhelliger Ansicht der Experten eher durch eine Reihe kleinerer Fortschritte verbessern. Mit einer revolutionierenden Neuerung ist nicht zu rechnen. Entwicklungsprojekte von Universitäten, Forschungseinrichtungen und Triebwerksherstellern führen immer wieder zu kleineren Triebwerksveränderungen zur Verbesserung der Treibstoffeffizienz, so etwa das von Rolls-Royce geleitete PANACEA-Projekt, an dem Sandvik Coromant maßgeblich beteiligt war (siehe separaten Artikel). Durch die Einführung neuer Werkstoffe für Triebwerkskomponenten soll der Treibstoffverbrauch um 0,3 bis 0,5 Prozent gesenkt werden. Bei jedem Flug über den Atlantik würden damit 600 Kilogramm CO2 weniger in die Atmosphäre gelangen.
Der Triebwerkshersteller GE Aviation hat dagegen kürzlich ein neues Antriebssystem für Business Jets angekündigt, das auf einer Kombination aus militärischen und zivilen Technologien basiert. Die noch in der Entwicklung befindlichen Passport-Triebwerke des Rolls-Royce-Konkurrenten gehen 2013 in die Testphase. Sie haben ein höheres Verdichtungsverhältnis und einen Kompressor aus neuen hochentwickelten und bisher noch ungenannten Werkstoffen. Nach Angaben von GE sollen die Triebwerke acht Prozent weniger Treibstoff verbrauchen und erheblich weniger Stickoxide ausstoßen. „Passport ist ... das weltweit erste integrierte Antriebssystem, das speziell für Ultralangstrecken-/Großraum-Verkehrsflugzeuge konzipiert wurde und einen ruhigeren und effizienteren Flug ermöglicht“, erklärt Brad Mottier, Vice President und General Manager des Geschäftsbereichs Business & General Aviation von GE.
Von einem anderen Entwicklungsprojekt, diesmal für Regional Jets, verspricht sich GE eine um 15 Prozent höhere Treibstoffeffizienz im Vergleich zu vorhandenen Triebwerkssystemen, auch hier durch geheime hochentwickelte Werkstoffe sowie durch Kühltechniken und ein neues Konzept für die Brennkammer, wo sich Luft mit Treibstoff vermischt und entzündet.

Diese kleinen Fortschritte verbessern zweifellos die Umweltbilanz von Flugzeugen, aber von durchgreifenden Veränderungen ist man noch weit entfernt. „Wir haben eine Reihe ungelöster Probleme“, sagt Tomas Grönstedt, außerordentlicher Professor an der Fakultät für angewandte Mechanik der Technischen Hochschule Chalmers im schwedischen Göteborg. „Unter anderem gibt es zunehmende Schwierigkeiten, Triebwerke mit einem höheren Gesamtverdichtungsverhältnis zu bauen. Der Grund sind die höheren Kühllufttemperaturen, die werkstofftechnischen Beschränkungen und die nachteiligen Auswirkungen von Gewicht und Luftwiderstand auf Triebwerke mit extrem hohem Nebenstromverhältnis. Wir sind ständig gezwungen, neue Werkstoffe zu entwickeln. Es ist jedoch keineswegs sicher, dass das gegenwärtige Entwicklungstempo gehalten werden kann.“
Zu den derzeit in Entwicklung befindlichen Technologien, die mittelfristig als mögliche Lösungen angesehen werden, gehören Triebwerke mit Ladeluftkühlung, Triebwerke mit Ladeluftkühlung und Wärmerückführung und Open-Rotor-Konzepte. „Triebwerke mit Ladeluftkühlung und Wärmerückführung beziehungsweise nur mit Ladeluftkühlung werden frühestens nach 2020 voll betriebsfähig sein“, meint Grönstedt. „Die gleiche Zeitspanne gilt meiner Ansicht nach auch für das Open-Rotor-Konzept.“
Die PDE-Technologie (Pulse Detonation Engine), die das Potenzial besitzt, den thermischen Wirkungsgrad drastisch zu erhöhen, ist eines der interessanteren Antriebskonzepte, die derzeit erforscht werden. Grönstedt zufolge gibt es jedoch noch eine Reihe wichtiger, bisher ungeklärter Fragen. „So muss zum Beispiel die Turbinenkühlung in einem Umfeld mit intermittierender Verbrennung erfolgen. Ein anderer Punkt ist der Lärm.“
Sind aber diese Probleme erst gelöst, lassen sich beträchtliche Umweltvorteile erzielen. „Durch Kombination der PDE-Technologie mit Open-Rotor-Konzepten, Entwicklungen wie der Blended Wing Body-Rumpfkonstruktion und geringeren Fluggeschwindigkeiten könnte man bis 2050 den Treibstoffverbrauch prov Passagierkilometer im Vergleich zu den Werten von 2000 um 75 Prozent reduzieren“, glaubt Grönstedt.
Solche Technologien wären zwar ein riesiger Schritt nach vorn, aber nach wie vor nur Variationen der heutigen Verbrennungsmotoren. Wann kommt denn nun endlich die „Science-Fiction“-Lösung auf der Basis völlig neuartiger Antriebssysteme?
„Es sind schon mehrere superradikale Konzepte vorgelegt worden, die bis 2050 verwirklicht werden könnten, aber ich sehe zum jetzigen Zeitpunkt keinen echten Durchbruch“, erklärt Grönstedt und fügt hinzu, der Vorteil des Strahltriebwerks sei immer noch dessen enorme Leistungsdichte. „Es produziert eine gewaltige Schubkraft bei sehr geringem Gewicht, und das ist bisher unschlagbar. Vielleicht werden wir im Jahr 2200 immer noch Strahltriebwerke verwenden. Wir werden jedoch nicht mehr so viel in die Entwicklung investieren, weil wir beim inneren und äußeren Wirkungsgrad bald an unsere Grenzen stoßen.“
Vielleicht muss der Verbrennungsmotor gar nicht unbedingt ersetzt werden. „Durchgreifende Verbesserungen bei der Treibstoffeffizienz und die ausschließliche Verwendung von Biokraftstoffen – das ist für mich der Weg zu einem umweltschonenden Flugverkehr“, so Grönstedt. „Algen wären eine mögliche Lösung, um die erforderlichen Mengen an Biokraftstoff zu produzieren, ohne mit der Nahrungsmittelproduktion zu konkurrieren. Dafür müssen allerdings die heutigen technischen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.“
Neue Triebwerke, neue Treibstoffe
Open-Rotor-Triebwerke:
Auch als Propfan-Antriebe und Triebwerke mit extrem hohem Nebenstromverhältnis bekannt. Sie bieten die Treibstoffeffizienz eines Turboprop-Triebwerks und die Geschwindigkeit und Leistung eines Turbofan. Das 1979 patentierte Open-Rotor-Konzept hat das Potenzial für Treibstoffeinsparungen von rund 30 Prozent, aber Triebwerke dieses Typs sind lauter als andere Triebwerkstypen.
Pulse Detonation Engines (PDE):
Das erstmals vor über 70 Jahren untersuchte PDE-Konzept verwendet Detonationswellen zur Verbrennung des Treibstoff-/Oxidatorgemischs. Anstatt den Treibstoff zu verbrennen, wird er zur Explosion gebracht. Theoretisch könnte ein mit PDE ausgerüstetes Flugzeug eine Geschwindigkeit von rund Mach 5 erreichen, es existiert jedoch in der Praxis bislang kein Triebwerk dieses Typs. Das Lärm- und Vibrationsproblem muss noch gelöst werden.
Triebwerk mit Ladeluftkühlung und Wärmerückführung:
Die Integration eines Ladeluftkühlers und Wärmetauschers in das Flugzeugtriebwerk ermöglicht die Rückführung der Abgaswärme zur Brennkammer und einen geringeren Temperaturanstieg des Brenners. Dadurch können circa 30 Prozent Treibstoff eingespart und gleichzeitig die Stickoxid- und Lärmemissionen reduziert werden.
Erneuerbare Treibstoffe:
Jatropha wächst als eine Art Unkraut auf Brachland. Die Pflanze wird als potenzielle Quelle für Flugzeugtreibstoff gepriesen. Verschiedene Fluggesellschaften haben das Öl der Jatropha-Samen erfolgreich getestet. Es soll verglichen mit erdölbasierten Treibstoffen bis zu 60 Prozent weniger Treibhausgas erzeugen. Im Juni 2011 führte eine Gulfstream G450, die zu gleichen Teilen mit herkömmlichem Treibstoff und einem Biotreibstoff auf der Basis von Leindotter (Camila) betankt war, den ersten Transatlantikflug mit Bioenergie durch.

Die Verwendung von Biotreibstoffen wird drastisch zunehmen.

Immer wieder neue Herausforderungen
Umweltschutz – ein heißes Thema
Einige Zahlen und Statistiken im Zusammenhang mit Flugzeugtriebwerken sind schwer zu begreifen: Eine Verdichterschaufel mit großer Sehnenlänge („Wide-Chord”-Verdichter) übt eine Zentrifugalkraft von rund 70 Tonnen aus, was dem Gewicht einer modernen Lokomotive entspricht. Jede Hochdruckturbinenschaufel erzeugt die gleiche Leistung wie ein Formel-1-Rennwagen. Die Schaufeln am heißen Ende des Triebwerks müssen bei Temperaturen arbeiten, die um mehrere Hundert Grad höher sind als der Schmelzpunkt des Werkstoffs, aus dem sie hergestellt sind.
„Das sind wirklich unglaubliche Zahlen“, sagt Steve Weston, Spezialist für Anwendungsentwicklung bei Sandvik Coromant. „Und wenn man versucht, die Temperaturen noch weiter zu erhöhen, um den Wirkungsgrad zu steigern, ist man schon über dem Schmelzpunkt des Werkstoffs. Genau hier liegt das Problem.“
Weston zufolge haben einige Werkstoffe der nächsten Generation, mit denen Sandvik Coromant im Auftrag von Triebwerksherstellern arbeiten soll, eine extrem ungewöhnliche Struktur und Zusammensetzung. „Manche sehen aus wie Mondgestein“, meint er. „Sie sind aufgrund ihrer hohen dynamischen Scherfestigkeit schwer zu zerspanen und leiten Wärme schlecht ab, was zu einem erhöhten Verschleiß an den Schneidwerkzeugen führen kann. Aber wenn man uns sagt, was verlangt wird, und uns Zeit gibt, werden wir mit Sicherheit eine Zerspanungslösung finden.“
Ein Projekt dieser Art war PANACEA – was für „Processing of an Advanced Nickel Alloy for Critical Engine Applications“ (Verarbeitung einer modernen Nickellegierung für kritische Triebwerksanwendungen) steht. An dem Projekt beteiligt waren Rolls-Royce und das Advanced Manufacturing Research Centre der Universität von Sheffield sowie Sandvik Coromant, ein Tier-1-Partner des Forschungsinstituts.

Ziel war die Entwicklung von Triebwerkskomponenten – insbesondere Turbinenscheiben – mit einer „dualen Mikrostruktur“, um unterschiedliche mechanische Eigenschaften in der Mitte und am Rand der Scheibe zu erzielen. Das ermöglicht eine um circa 50° Celsius höhere Triebwerkstemperatur, die wiederum die Treibstoffeffizienz des Triebwerks um 1,5 Prozent erhöht. Mit der PANA CEA-Technologie werden bei jedem Transatlantikflug 0,6 Tonnen weniger CO2 in die Atmosphäre gelangen.
Sandvik Coromant war in die Zerspanung dieses besonderen Werkstoffs involviert. „Wir bearbeiteten die Scheibe komplett auf einer Maschine, was recht ungewöhnlich ist, weil man normalerweise für die einzelnen Komponentenmerkmale unterschiedliche Bearbeitungsplattformen benötigt“, erklärt Weston. „Es gelang uns jedoch, neue Werkzeuge zu konstruieren und neue Strategien zu entwickeln, um alle Flächen der Scheibe zu bearbeiten.“
Für Tests im Maßstab 1:1 wird zurzeit eine vergrößerte Version der Turbinenscheibe gefertigt, die vielleicht schon in zwei Jahren im regulären Flugbetrieb Treibstoff- und Emissionseinsparungen bewirken könnte.

Sandvik Coromant war einer der Partner in dem von Rolls-Royce geleiteten PANACEAProjekt.